Lebensmittelverband stellt Mitarbeit zur Ernährungsstrategie vorerst ein

Der Lebensmittelverband Deutschland zieht sich „bis auf Weiteres“ aus dem Prozess zur Erarbeitung einer Ernährungsstrategie zurück. Das hat Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff am 25. Oktober auf der Veranstaltung „Für eine pflanzenbetonte Ernährung in Deutschland – Erkenntnisse aus dem Nationalen Dialog zum Ernährungsgipfel der Vereinten Nationen (UN FSS) für die Ernährungsstrategie der Bundesregierung“ des Bundeslandwirtschaftsministeriums in Berlin bekanntgeben. Nach Minhoffs Einschätzung bildet das gewählte Verfahren keine adäquate Beteiligungsmöglichkeit der Verbände und Unternehmen. „Wir wollen nicht in den Verdacht geraten, lediglich Staffage in einem vorbestimmten Prozess zu sein“, stellte Minhoff klar. Zugleich sieht der Lebensmittelverband nicht die Bereitschaft des Agrarressorts, auf entsprechende Vorschläge einzugehen. Grundsätzlich zeigte er sich an einem konstruktiven, fairen und vorurteilsfreien Dialog interessiert. Dabei müsse eine umfassende fachliche Expertise in Sachen Lebensmittel, Innovationen und Nachhaltigkeit eingebracht werden können. „Wir möchten gemeinsam an zielorientierten Lösungen arbeiten“, betonte Minhoff und verwies dazu auf die Erarbeitung der Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie. Im Rahmen dieses Prozesses sei es allen Beteiligten, auch der Wirtschaft, ermöglicht worden, einen aktiven Part einzunehmen und als unverzichtbarer Partner Gelegenheit gegeben worden, ihr Know-how in die Ausgestaltung und Umsetzung der Strategie konkret einzubringen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium bedauerte die Ankündigung des Lebensmittelverbandes. „Die Stimme dieses wichtigen Verbandes gehört für uns dazu“, erklärte eine Sprecherin des Berliner Agrarressorts gegenüber AGRA-EUROPE. Zugleich betonte sie, dass nur im Dialog die wirtschaftlichen Interessen im Strategieprozess besser berücksichtigt werden könnten.
Das jetzt vom Bundeslandwirtschaftsministerium ausgewählte Format ermöglicht nach Auffassung des Lebensmittelverbandes hingegen „keine sinnvolle Einbringung derer, die die Ernährungsstrategie hinterher zum großen Teil umsetzen müssen“. Minhoff zufolge erweckt die Einladung vielmehr den Eindruck, dass die Ziele und Handlungsfelder der Ernährungsstrategie bereits festgelegt sind und mit den verschiedenen Stakeholdern eine Diskussion hierzu nicht weiter stattfinden soll. „Deshalb werden wir von einer Mitarbeit mit Alibi-Charakter absehen“, erläuterte der Hauptgeschäftsführer.
„Nicht nachvollziehen“ kann die Sprecherin die geäußerte Kritik des Lebensmittelverbandes an der Zielsetzung und an dem Format des Strategieprozesses. Mehr als 160 Teilnehmer, unter denen sich auch viele Vertreter aus der Ernährungswirtschaft befänden, hätten engagiert über das Handlungsfeld einer pflanzenbetonten Ernährung diskutiert. Zudem hätten die zahlreichen Teilnehmer der bisherigen Veranstaltungen ihr fortbestehendes Interesse an der Erarbeitung der Ernährungsstrategie bekundet und keine vergleichbare Kritik an das Ministerium herangetragen. Die Sprecherin von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir betonte, dass die Erarbeitung der Ernährungsstrategie grundsätzlich als partizipativer, transparenter und – im Rahmen der Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag – ergebnisoffener Prozess angelegt sei. Die bisherigen Veranstaltungen des bislang „sehr gut“ angenommenen Beteiligungsprozesses seien bewusst breit angelegt worden. Das weitere Vorgehen umfasse zahlreiche Experten-Workshops und Umfragen unter den Stakeholdern in den nächsten Monaten. Darüber hinaus seien schriftliche Stellungnahmen jederzeit möglich und von verschiedener Seite übermittelt worden. Der vom Lebensmittelverband erwähnte Prozess der Erarbeitung der Selbstverpflichtungserklärungen der Wirtschaft zur Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie sei hinsichtlich Zielsetzung, Struktur und Adressatenkreis anders gelagert und nicht vergleichbar.
Die Ministeriumssprecherin unterstrich, dass ihr Haus den Lebensmittelverband „selbstverständlich auch weiterhin“ zu den geplanten Formaten informiere und dieser auch nach seiner Absage eingeladen sei, sich in die Ziele und Handlungsfelder der Ernährungsstrategie einzubringen. Die Zielstruktur der Ernährungsstrategie müsse allerdings auch die aktuellen und künftigen Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen Herausforderungen einbeziehen. Die Debatte über eine Transformation des Ernährungssystems müsse angesichts multipler Krisen jetzt geführt werden und dulde keinen Aufschub. (AgE)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.