Dem Verbraucherwunsch nach höheren Tierwohlstandards in der Milchproduktion stehen in der Praxis oft hohe Kosten für Milch aus entsprechenden Programmen gegenüber. Eine stärkere Umsetzung auf der Erzeugerseite wird zudem durch eine Zersplitterung des Marktes für „Tierwohl-Milch“ behindert. Zu diesem Ergebnis kommen Dr. Silke Thiele und Prof. Holger Thiele vom Kieler Institut für Ernährungswirtschaft (ife), die mit Unterstützung der Edmund-Rehwinkel-Stiftung der Landwirtschaftlichen Rentenbank die Mehrkosten von Tierwohlprogrammen in der Milchproduktion untersucht haben. Wie die Autoren in ihrer Studie (Dokumentation) feststellen, achten immer mehr Konsumenten in Deutschland beim Kauf tierischer Produkte auf die Einhaltung von Tierwohlstandards. Dabei werde bei Milch vor allem der Weidegang der Kühe gewünscht, während andere Tierwohlfaktoren für die Verbraucher nicht zuletzt wegen fehlender Kenntnis eine untergeordnete Rolle spielten. Um zu erkennen, ob bei der Erzeugung höhere als die gesetzlichen Mindeststandards eingehalten würden, wünschten sich laut einer Umfrage im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums 81 % der Verbraucher eine staatliche Tierwohlkennzeichnung. Da es eine solche Kennzeichnung gegenwärtig noch nicht gebe, seien in den vergangenen Jahren von Verbänden und der Privatwirtschaft etliche Siegel eingeführt worden, um diesem Wunsch zu entsprechen, berichten die Kieler Agrarökonomen. Seitens des Lebensmitteleinzelhandels würden für diesen Zweck nicht nur hohe Anforderungen an die Lieferanten gestellt. Gleichzeitig herrsche aber auch bei Produkten mit gehobenen Tierwohlstandards ein großes Interesse, die Erzeugnisse zu den günstigsten Preisen einzukaufen.Für die Landwirte entstehen nach der Analyse von Thiele und Thiele allerdings beachtliche Kosten für mehr Tierwohl: Beispielswiese muss nach den Berechnungen der Wissenschaftler bei der Teilnahme an der Einstiegsstufe „Für mehr Tierschutz“ mit Zusatzkosten von durchschnittlich 2,3 Cent pro Liter Milch gerechnet werden. Kämen Laufhof und Weidegang hinzu, entstünden zusätzliche Kosten im Mittel von 2,6 Cent pro Liter Milch. Die zusätzlichen Aufwendungen für das separate Einsammeln, Verarbeiten und Vermarkten von Milch mit höheren Tierwohlstandards mit geringer Chargengröße belaufen sich nach den Angaben der ife-Wissenschaftler in der Summe auf 6,7 Cent bis 18,4 Cent pro Kilogramm Rohstoffeinheit Milch. Sie sehen damit die gesamten Zusatzkosten der Milcherzeugung und -verarbeitung durch das Angebot von Milch mit höheren Tierwohlstandards bei mindestens 9 Cent pro Liter Trinkmilch.Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist nach Einschätzungen der Autoren jedoch nicht zu erwarten, dass ein großer Teil der Verbraucher bereit sein wird, für umfangreiche Tierschutzmaßnahmen einen Mehrpreis zu zahlen. Eine Ausnahme stelle die Weidemilch dar, die allerdings eine Verfügbarkeit von Weide bei den Betrieben voraussetze. Während das Attribut „Weide“ vom Verbraucher leicht beurteilt werden könne, erforderten Kriterien wie der Platzbedarf im Stall ein intensives Auseinandersetzen mit den Bedürfnissen von Tieren und den Standards der verschiedenen Anbieter, erklären die Wissenschaftler. Gegenwärtig müssten Verbraucher dafür auch wegen der Vielfalt der Standards hohe Such- und Informationskosten aufwenden, um den Mehrwert einer Milch, die unter Einhaltung höherer Tierwohlstandards produziert werde, zu erkennen. Langfristig könnte daher ein einheitliches und leicht verständliches staatliches oder privatwirtschaftliches Tierwohllabel helfen, die Such- und Informationskosten zu senken, so das Fazit der Kieler Agrarökonomen. (AgE)