Als einen Systemfehler, der geändert werden muss, hat die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Dr. Kirsten Tackmann, die aus ihrer Sicht „ungerechte Verteilung von Gewinnen und Risiken“ entlang der Lieferkette Milch angeprangert. Bei kaum einem Zweig der Landwirtschaft sei der Systemfehler so offen erkennbar wie bei der Milch, insbesondere nach der Abschaffung der Milchquoten im April 2015. „Was als Befreiung gefeiert wurde, hat sich als das herausgestellt, was es ist: Die endgültige Auslieferung der Milcherzeuger an die Macht von Molkerei- und Lebensmittelkonzernen“, kritisierte die Linken-Politikerin anlässlich des internationalen Tags der Milch am 1. Juni. „Die strategische Orientierung auf möglichst billig produzierte Milch für den Weltmarkt ist sozial und ökologisch, aber auch ökonomisch eine Sackgasse“, stellte Tackmann weiter fest. Die Folge seien nicht kostendeckende Erzeugerpreise zu Lasten der Tiere und der Bauern. Deshalb müsse die Milchmenge nachfrageorientiert und solidarisch gesteuert werden. „Mehr Wertschöpfung aus der Milch und ihre regionale Verarbeitung und Vermarktung sind gut für uns alle“, betonte die Agrarsprecherin. Die strukturelle Ursache der Marktmacht einiger weniger Molkerei- und Lebensmittelkonzerne sollte laut Tackmann durch ein gemeinwohlorientiertes Kartellrecht korrigiert werden. Darüber hinaus werde ein kooperatives Wirtschaftssystem gebraucht, in dem solidarische Regeln gelten und durchgesetzt würden. Die angekündigte Meldestelle für unlautere Handelspraktiken müsse endlich kommen, reiche aber nicht aus. „Regelungen für Mindestpreise für Nahrungsmittel des täglichen Bedarfs können genauso zur Stabilisierung der systemrelevanten Teile der Landwirtschaft beitragen wie ein Werbeverbot mit Dumpingpreisen“, erklärte die Politikerin der Linken. Neben Hofläden und Milchtankstellen müsse auch eine klare und wahre Kennzeichnung den Mehrwert der regionalen Produktion sicherstellen.
Die Milcherzeugergemeinschaft (MEG) Milch Board spricht ebenfalls von „systembedingten Fehlsteuerungen im Milchmarkt“ und fordert in einem offenen Brief an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner entsprechende Änderungen. Durch die Corona-Krise drohe eine weitere Milchkrise, und die Produktionsmenge müsse jetzt durch eine verpflichtende Drosselung heruntergefahren werden, verlangt die MEG. Auf eine Einigung der Branche könne nicht gewartet werden, und Maßnahmen wie Intervention und private Lagerhaltung seien als Kriseninstrumente ungeeignet, da sie nur Symptome, aber nicht die Ursachen bekämpften. Das Milch Board befürwortet deshalb die Umsetzung der Vertragspflicht nach Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation (GMO); dies sei die einzige Möglichkeit, Milchmengen dauerhaft und marktgesteuert in den Griff zu bekommen. Deshalb sei die „RoadMap Milch & Markt“ erarbeitet worden. Diese beinhalte die vertragsgebundene Milchvermarktung, die Bündelung zu Milcherzeugergemeinschaften, eine Reformierung der Andienungspflicht sowie den Dialog der Beteiligten. Generell müsse es in der Milchpolitik wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen hin zu nachhaltigeren Produktionsprozessen geben, wofür die Politik die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen habe, heißt es in dem Schreiben. Es könne nicht sein, dass die Kosten der Milcherzeugung, wie in den vergangenen Jahren, dauerhaft unter den erzielbaren Preisen lägen. (AgE)