Vielfalt bei der Milchkennzeichnung nicht ohne Probleme

Eine Kennzeichnung von Haltungs- und Produktionsbedingungen auf der Milchverpackung bietet Verbrauchern Transparenz und Orientierung, allerdings könnte die sich abzeichnende „Labelflut“ auch kontraproduktiv wirken. Das war das Fazit aus der Podiumsdiskussion zum 12. Berliner Milchforum, bei dem am 7. April über Vor- und Nachteile solcher Label diskutiert wurde. Wie der Agrarökonom Prof. Johannes Holzner von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf in seinem Eingangsstatement feststellte, kann die Vielfalt der existierenden Kennzeichnungssysteme in der Milcherzeugung schon heute selbst von Fachleuten kaum noch überblickt werden. Dabei bestünden zwischen den einzelnen Labels oft nur geringe Unterschiede. Holzner hält zumindest aus Verbrauchersicht eine „Homogenisierung“ der Kennzeichnungssysteme für nötig. Der Leiter Lebensmittelrecht im Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH), Axel Haentjes, sieht trotz der Vielfalt bei den Labels einen Mehrwert für den Verbraucher. Er wies gleichwohl darauf hin, dass viele Kunden ebenso Wert auf bezahlbare Produkte legten, so dass der Handel vor der Aufgabe stehe, alle Verbraucherwünsche abzudecken. Ungeachtet dessen seien Label wichtige Werkzeuge, um Prozesse hin zu mehr Tierwohl in Gang zu setzen, so Haentjes. Anne Hamester vom Tierschutzverein ProVieh zeigte sich deutlich kritischer, was den Nutzen diverser Tierwohllabels angeht. Sie warf manchen Initiativen „Mogelpackungen“ vor, da beispielsweise Anbindehaltung, Hochleistungszucht oder männliche „Wegwerfkälber“ keine Ausschlusskriterien seien. Die Tierschützerin fordert eine „ambitionierte gesetzliche Haltungskennzeichnung“ und kann sich dabei mit der vom Bundeslandwirtschaftsministerium angestrebten Orientierung an der vierstufigen Eierkennzeichnung anfreunden. Mit ihrer Kritik an „Wegwerfkälbern“ stieß Hamester allerdings beim Landwirt und Sprecher des Fachbeirats von QM-Milch, Jan Heusmann, auf Widerspruch.
Heusmann stellte klar, dass auch männliche Kälber heute jederzeit Abnehmer fänden; insofern gehe der Vorwurf ins Leere. Nach seinen Worten ist Tierwohl in den meisten Betrieben ohnehin schon lange „gelebte Praxis“. Dennoch ist auch Heusmann der Meinung, dass Landwirte auf das Vertrauen der Verbraucher angewiesen sind. „Glaubwürdige Label“ auf der Milchverpackung seien dafür ein „wichtiger Baustein“. Dr. Jörn Uwe Starcke von der frischli Milchwerke GmbH warnte jedoch vor einer unbegrenzt wachsenden Label-Vielfalt. Dies führe zur Fragmentierung der Produktion bis hin zu dem Punkt, dass die Milch von jedem Betrieb einzeln abgeholt werden müsse. Dadurch verteuere sich die Produktion immer mehr, was letztlich die Branche zerreiße, warnte Starcke. Ein besserer Weg wäre aus seiner Sicht, wenn sich die Gesellschaft auf ein einheitliches Qualitätsniveau verständigte und sich die Preise frei am Markt bildeten. Die Politik sieht er dabei in der Rolle, die Verständigung zwischen Konsumenten und Milchbranche zu gewährleisten. (AgE)

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