Nach der Erholung im Jahr 2021 hat sich die Stimmung der Ernährungsindustrie beim Auslandsgeschäft angesichts des Ukraine-Krieges und anhaltender Lieferkettenengpässe in diesem Jahr wieder verschlechtert. Das ergab die von der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) und der AFC Management Consulting erstellte Gemeinschaftsstudie „BVE-AFC-Exportindikator 2022“. Die auf dem Vorjahresniveau stagnierende Einschätzung der Geschäftslage und deutlich pessimistischere Geschäftserwartungen im Lebensmittelexport hätten mit einem Minus von 15 Prozentpunkten im Vorjahresvergleich und einem Saldo von insgesamt 7 Prozentpunkten zu einem deutlichen Rückgang des Exportklimas geführt, erklärte die BVE am vergangenen Donnerstag (9.6.) in Berlin. Das Vorkrisenniveau aus dem Jahr 2019 mit 37 Prozentpunkten sei weiterhin verfehlt worden. Wie die Bundesvereinigung zudem berichtete, war in den vergangenen zwölf Monaten fast jedes zweite Unternehmen der deutschen Ernährungsindustrie mit Exporthindernissen in ausgewählten Zielmärkten konfrontiert. Rund 35 % der Unternehmen hätten als Hauptursache politische oder wirtschaftliche Krisen genannt, jedes fünfte bürokratische Hürden. Auch der Blick in die Zukunft fällt der BVE zufolge weiter verhalten aus: 63 % der befragten Unternehmen planten auf Basis der heutigen Weltwirtschaftslage, in den nächsten zwölf Monaten keine neuen Märkte zu erschließen. Im Jahr 2019 hätten dies lediglich 38 % der Unternehmen erklärt. „Nur offene Agrar- und Lebensmittelmärkte mit diversifizierten Lieferketten garantieren in Krisenzeiten die globale Ernährungssicherheit. Es ist folglich fatal, wenn sich Unternehmen aus dem internationalen Handel zurückziehen“, stellte BVE-Geschäftsführerin Stefanie Sabet fest.
Laut Sabet bedarf es dringender Maßnahmen zur Stabilisierung der internationalen Ordnung. Dazu müsse der Abschluss von Handelsabkommen mit strategisch wichtigen Märkten rasch vorangebracht werden, aber auch eine erfolgreiche Reformierung der Welthandelsorganisation (WTO). Auch das Schaffen fairer Wettbewerbsbedingungen für den Weltagrarhandel sei entscheidend, so die BVE-Geschäftsführerin. Protektionistische Maßnahmen wie die Einführung von Strafzöllen oder weiteren tarifären und nicht-tarifären Hemmnissen seien ebenso wie die Unterbrechung von Handelsbeziehungen abzulehnen.
Die vergangenen Jahre und deren Krisen hätten mehr als deutlich gezeigt, dass das über Jahrzehnte funktionierende System der globalen Lieferketten ins Wanken geraten sei, sagte Anselm Elles, Managing Partner bei AFC. Alle Beteiligten entlang der „Food Value Chain“ müssten hinterfragen, ob ein „weiter so“ für die Zukunft folgerichtig sei oder ob es an der Zeit sei, neue Wege zu gehen. Unternehmen der Ernährungsindustrie sollten überprüfen, ob die Single-Sourcing-Strategien langfristig operabel seien. Die aktuelle Zeitenwende biete das Momentum, Lieferketten zu diversifizieren und so Abhängigkeiten zu reduzieren. In der Umfrage hatten 89 % der Hersteller, die zusätzlich zu den „Herausforderungen in internationalen Lieferketten“ befragt worden waren, angegeben, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten in ihrer Exportfähigkeit durch Lieferkettenengpässe eingeschränkt worden seien. Geringe Transportkapazitäten waren hierbei von 26 %, Rohwarenengpässe von 25 % und Engpässe bei Verpackungsmaterialen von 22 % als Hauptursachen identifiziert worden.
Gefragt wurde bei der Umfrage auch wieder nach den wichtigsten Absatzmärkten der Branche. Die Erwartungen an die EU- und Drittlandsmärkte fielen dabei der BVE zufolge uneinheitlich aus. Innerhalb der EU verspreche sich die Branche insbesondere vom Export in die Niederlande, Frankreich und Belgien Wachstum. Mit Blick auf die Drittlandsmärkte seien Wachstumserwartungen lediglich für die Schweiz angegeben worden, während die Hersteller insbesondere in den Ländern Russland, China und Vereintes Königreich mit sinkenden Absätzen rechneten. (AgE)