Absage an Mehrwertsteuersenkung bei Lebensmitteln

Eine Reform der Umsatzsteuer ist nach Einschätzung des Bundesrechnungshofs „längst überfällig“. Zudem mahnt die Bonner Bundesbehörde an, den Katalog der Begünstigungen „grundlegend zu überarbeiten“. Dabei sollte jede einzelne Begünstigung evaluiert und somit auf Schwachstellen untersucht und kritisch hinterfragt werden, heißt es in einem am 30. Januar vorgelegten Bericht an den Finanzausschuss des Bundestags. Darin spricht sich der Bundesrechnungshof gegen eine Senkung oder Streichung des Mehrwertsteuersatzes auf Obst und Gemüse oder Biolebensmittel aus. Die Behörde empfiehlt, den Forderungen nach weiteren Steuersatzermäßigungen, der Einführung von stark ermäßigten Steuersätzen oder dem Nullsatz „grundsätzlich nicht nachzukommen“. Nur so könne vermieden werden, dass das Steuerrecht weiter verkompliziert werde, Abgrenzungsschwierigkeiten zunähmen und der Bürokratieaufwand für Unternehmen sowie Finanzverwaltung wachse. Indes warnte der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd (BWV) vor einer Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftlich genutzte Fahrzeuge. Für BWV-Präsident Eberhard Hartelt kommt eine solche Forderung zur absoluten Unzeit und lässt die Folgen vollkommen unberücksichtigt. In dieselbe Kerbe schlug der Bayerische Bauernverband (BBV), der die Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Kraftfahrzeuge als „weiterhin gerechtfertigt“ einstufte. FDP-Agrarsprecher Dr. Gero Hocker erteilte indes Steuererhöhungen eine klare Absage. Diese werde es mit der FDP und Christian Lindner als Bundesfinanzminister nicht geben, auch nicht auf die im landwirtschaftlichen Betrieb eingesetzten Kraftfahrzeuge. „Darauf können sich unsere Landwirte verlassen“, stellte Hocker klar. Weitere steuerliche Belastungen würden die Landwirtschaft schwächen.
Der Bundesrechnungshof stellt indes in seinem Bericht fest, dass eine Steuersatzermäßigung oftmals mit der Begründung eingeführt werde, dass sie dem Endverbraucher zugutekommen solle. Dieser Effekt sei jedoch „nicht gewährleistet“. Die Behörde gibt zu bedenken, dass Unternehmer nicht gesetzlich verpflichtet werden könnten, die Umsatzsteuersenkung an den Leistungsempfänger weiterzugeben. Daher müsse stets geprüft werden, ob anstelle einer Subvention nicht eine direkte Förderung und Transfers der bessere Weg wären. Zudem halten es die Bonner Rechnungsprüfer für „unabdingbar“, bei der Einführung eine Befristung vorzusehen. Kritisiert wird das von Christian Lindner geführte Ressort, da es eine Befristung, die Teil der subventionspolitischen Leitlinien sei, „bislang so nicht umsetzt“. Das Gegenteil sei der Fall. Befristungen seien „die absolute Ausnahme“. Der Bundesrechnungshof plädiert dafür, bei einer Evaluierung der ermäßigten Mehrwertsteuersätze neben der Abschaffung von Ausnahmetatbeständen auch deren Befristung im Blick zu haben.
Das Volumen der steuerlichen Begünstigungen lag laut Angaben der Behörde 2021 bei 34,5 Mrd Euro. Dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % unterliegen unter anderem lebende Tiere wie Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen oder Kaninchen jeweils einschließlich reinrassiger Zuchttiere, Fleisch und genießbare Schlachtnebenerzeugnisse, Fische, Milch und Milcherzeugnisse, frisch geschnittene Blumen, Gemüse, Kaffee, Getreide sowie Müllereierzeugnisse. Der Bundesrechnungshof verweist auch auf Widersprüchlichkeiten beim ermäßigten Umsatzsteuersatz, so am Beispiel eines Kaffees zum Mitnehmen. Danach unterliegt Kaffee mit einem Schuss Milch dem regulären Satz von 19 %, während für aufgeschäumte Milch mit einem Espresso, etwa einen Latte Macchiato, der Satz 7 % beträgt und für einen Latte Macchiato aus pflanzlichen Milchersatzprodukten wiederum 19 %. Ein weiteres Beispiel: Frische Früchte und dickflüssige Säfte aus pürierten Früchten sowie Marmeladen werden ermäßigt besteuert. Für Säfte aus gepressten Früchten gilt indes der reguläre Steuersatz.
Der Bundesrechnungshof empfiehlt in dem Bericht dem Bundesfinanzministerium zudem, seine eigenen Vorgaben zu erfüllen und Subventionen einer regelmäßigen Erfolgskontrolle zu unterziehen. Bei den ermäßigten Steuersätzen habe das Ministerium „eindeutig gegen diese Vorgaben verstoßen“. Die letzte Evaluierung habe 2010 stattgefunden. Seither ist das Aufkommen, auf den ein ermäßigter Steuersatz Anwendung findet, laut Rechnungshof „beträchtlich gestiegen“.
Der BBV forderte derweil Lindner auf, an der steuerlichen Befreiung landwirtschaftlicher Fahrzeuge festzuhalten. Der Verband begründete dies damit, dass die Landwirte ihre Fahrzeuge weit überwiegend im Gelände und nicht auf den Straßen bewegten. Die Kfz-Steuer diene aber grundsätzlich der Finanzierung zur Instandhaltung der Straßen- und Verkehrswegeinfrastruktur. BWV-Präsident Hartelt gab außerdem zu bedenken, dass bei einer Streichung sich die Produktion von Lebensmitteln in Deutschland weiter verteuern würde. Aus seiner Sicht ist die Gretchenfrage, wer das bezahlen soll. Von den Betrieben könnten die zusätzlichen Kosten nicht gestemmt werden. Vielmehr müssten dann die Preise für Lebensmittel an der Ladentheke weiter angehoben und diese Erhöhung an die Erzeuger weitergereicht werden. Zudem stellte der BWV-Präsident fest, dass diese zusätzliche Belastung für viele Landwirte der Tropfen sein dürfte, der das Fass zum Überlaufen bringe und zu einer Betriebsaufgabe führe. Damit würde auch „billigend in Kauf genommen“, dass der Selbstversorgungsgrad weiter sinke und die Importe von Lebensmitteln zunähmen. AgE

 

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