Noch sind die Erzeugermilchpreise auf einem historisch hohen Niveau, doch ein Abschwung zeichnet sich ab. Im Hinblick auf eine mögliche Krise haben der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Landwirtschaft verbindet Deutschland (LsV) und die MEG Milch Board ein gemeinsames Forderungspapier an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir verfasst, welches am 18. Januar in Berlin vorgestellt wurde. Zentrales Anliegen dabei ist, dass sich der Minister in Brüssel für ein „Scharfstellen“ des EU-Sicherheitsnetzes für den Milchmarkt einsetzen soll. Es müsse die kurzfristige Möglichkeit geschaffen werden, Milchlieferungen gegen einen finanziellen Ausgleich zeitlich einzuschränken, um bei einem Überangebot reagieren zu können. Mittelfristig brauche es zudem ein Frühwarnsystem für die Agrarmärkte, um mit Marktanpassungsmaßnahmen rechtzeitig reagieren können. Auch die Stärkung der Marktstellung von Erzeugern und die Novellierung des Artikels 148 der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) mit verbindlichen Vorgaben für genossenschaftliche Milchlieferverträge stehen auf der Wunschliste der Verbände. Hier müsse Özdemir nun handeln und eine Vorreiterrolle übernehmen. Den Verbänden zufolge ist der Kipppunkt am Milchmarkt überschritten, alle Parameter deuteten „auf einen Sturm“ hin. „Es zeichnet sich wie bei allen vorhergehenden Marktkrisen auch jetzt schon wieder ab, dass erst dann reagiert wird, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist“, monierte BDM-Sprecher Hans Foldenauer.
Der BDM-Sprecher warnte davor, sich in trügerischer Sicherheit zu wiegen, weil die Milchpreise noch hoch und weit weg vom Niveau der letzten Krisenjahre seien. „Die bisher guten Auszahlungspreise an die Erzeuger dürfen uns nicht dazu verleiten, zu glauben, dass doch alles gut ist. Seit Mitte 2022 zeigt sich die Wende deutlich“, betonte Foldenauer und verwies auf die seit Monaten nachgebenden Produktpreise national wie international. Würden nur die variablen Kosten der Milchproduktion betrachtet, die im Krisenjahr 2016 bei 27 Cent/kg Milch gelegen hätten, stelle sich heute angesichts massiv gestiegener Kosten ein völlig anderes Bild dar: „Für die variablen Kosten gilt: 45 Cent sind die neuen 27 Cent! Ab diesem Milchpreisniveau befinden wir uns in massiven Liquiditätsschwierigkeiten“, warnte der BDM-Sprecher. Fatal sei zudem, dass die Markterholung der letzten beiden Jahre vor allem durch Betriebsaufgaben aufgrund langanhaltender wirtschaftlicher Probleme verursacht worden sei. Ausgeglichene Märkte müssten jedoch durch sinnvolle Marktrahmenbedingungen ermöglicht werden – nicht durch weitere Betriebsaufgaben. Deshalb brauche es jetzt politisches Handeln. (AgE)