MIV: Talsohle bei Rohmilchpreisen durchschritten

Der Rückgang der Milcherzeugerpreise nach den Rekordständen Ende 2022 in Deutschland ist weitgehend beendet und wird in den kommenden Monaten wieder von festeren Markttendenzen abgelöst. Diese Einschätzung gab am 20. Oktober der wiedergewählte Vorsitzende des Milchindustrie-Verbandes (MIV), Peter Stahl, anlässlich der Jahrestagung des Verbandes in Salzburg gegenüber der Presse. „Die Überversorgung des Marktes mit Rohmilch im ersten Halbjahr 2023 ist vorbei; das führt dazu, dass sich Preise stabilisieren und dann teilweise leicht angehoben werden“, berichtete Stahl. Darauf deuteten auch die international und am Spotmarkt anziehenden Notierungen hin. Für das Jahr 2023 rechnet der MIV mit einem Durchschnittspreis von 45 Cent pro Kilogramm Rohmilch. Das wären zwar 15% weniger als im Vorjahr, doch sei dies immer noch das zweithöchste Niveau, das in den vergangenen Jahrzehnten gezahlt worden sei.
Für die Molkereien würden wieder anziehende Rohmilchpreise allerdings den immer noch starken Kostendruck weiter verschärfen, stellte Stahl fest. Die gestiegenen Energiekosten, hohe Tarifabschlüsse und die bald steigende Lkw-Maut würden die Unternehmen belasten und müssten zu höheren Produktpreisen führen. Mit Blick auf die gerade laufenden Verhandlungen der Käsehersteller mit dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) sieht Stahl deshalb „kein Potenzial für Preissenkungen“. Von der möglichen Industriestrompreisbremse verspricht sich der MIV-Vorsitzende keine Entlastung für die mittelständische Molkereibranche, obwohl auch sie im internationalen Wettbewerb steht, da die Preisbremse ausschließlich für industrielle Großbetriebe gedacht ist. Laut MIV-Geschäftsführer Eckhard Heuser könnte jedoch eine Stundung und Erstattung von Abgaben nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) die Branche entlasten. Ein entsprechender Antrag sei bei der Bundesregierung gestellt und „wir rechnen mit einer positiven Zusage, die bei mehr als 100 Mio. Euro für sechs Jahre liegen wird“, so Heuser.
Von der Bundesregierung fordert der Verband mehr „politischen Rückenwind für den Wirtschaftsstandort Deutschland“. Es müssten die geeigneten Rahmenbedingungen für die innovative Milchbranche geschaffen werden; stattdessen bedrohe aber die aktuelle Überregelung – unter anderem mit Plänen für Werbeverbote – die Innovationskraft. „Wir brauchen Gestaltungsspielräume“, betonte Stahl. Das gelte auch für die Milcherzeuger. So gebe es investitionsbereite Milchviehhalter mit Hofnachfolger, die keine Baugenehmigung für einen Stallumbau oder Ausbau bekämen. Das träfe auch auf Landwirte zu, die ihren Anbindestall mit modernen Haltungsformen, die mehr Platz benötigten, vergrößern wollten. Kritik übte der MIV zudem an der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung mit ihren fünf Stufen, die zeitversetzt auch für den Milchbereich komme. Diese sei aber kaum in die bereits bestehenden Systeme wie QM+ oder QM++ integrierbar. Dabei ist dieses Nachhaltigkeitsmodul laut dem stellvertretenden MIV-Vorsitzenden Hans Holtorf „eine Erfolgsgeschichte“, bei der die Erzeuger für mehr Nachhaltigkeit auch einen Mehrerlös generieren können.
Beim Verbrauch von Milchprodukten war dem MIV zufolge im ersten Halbjahr 2023 aufgrund des inflationsbedingten Kaufkraftverlustes eine gewisse Zurückhaltung zu spüren. Die preissensiblen Verbraucher würden auf günstige Eigenmarken umschwenken, worunter der Absatz von teureren Markenartikeln leide. Während der Corona-Zeit sei dies anders gewesen, da beispielsweise Teile des Haushaltsbudgets nicht für Reisen, sondern mehr für höherpreisige Lebensmittel ausgegeben worden seien. Laut Heuser fällt beim rückläufigen Trinkmilchverbrauch ins Gewicht, dass die Konsumenten vermehrt zu veganen Alternativen wie Sojamilch greifen. Der Absatz entspreche mittlerweile fast 10% der Verkaufsmengen von Konsummilch. Bei Käse spielten die pflanzlichen Alternativen aber noch keine Rolle. Die mittlerweile eingetretene Abschwächung der Preise für Molkereiprodukte im LEH sollte die Nachfrage aber wieder anziehen lassen. „Wir sind auf einem guten Weg und haben die Delle verdaut“, erklärte Heuser. (AgE)

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