Bundesbürger greifen besonders oft zu Milchersatzprodukten

Die Deutschen greifen in Vergleich zu anderen EU-Bürgern besonders häufig zu Milchersatzprodukten. Ein Grund dafür ist ihre kritische Einstellung zur Nutztierhaltung. Die Akzeptanz für diese Erzeugnisse innerhalb des EU-Marktes hat Rebecca Hansen vom Fachgebiet Agrarmärkte an der Universität Hohenheim im Rahmen ihrer Doktorarbeit untersucht. Dafür wertete sie 3.086 Antworten aus, die im Zuge des Projekts „The V-PLACE – Enabling consumer choice in vegan or vegetarian food products“ erhoben wurde. Finanziert wurde das Projekt von der Lebensmittel-Innovationsgemeinschaft des Europäischen Instituts für Innovation und Technologie (EIT). Die Stichprobe könne nur als begrenzt repräsentativ angesehen werden, da nur Personen in die Untersuchung aufgenommen worden seien, die entweder schon pflanzliche „Milchprodukte“ konsumierten oder mit diesem Gedanken spielten, erläuterte Hansen. Menschen, die „daran überhaupt nicht interessiert waren, wurden nicht berücksichtigt“. „Einzigartig“ sind aus Sicht der Wissenschaftlerin die Deutschen in ihrer besonders kritischen Haltung zur Tierhaltung. Bei jenen, die einen vegetarischen oder veganen Lebensstil führten, bestehe eine um 34 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, Milchersatzprodukte häufiger zu kaufen. „Dies bestätigt unsere Annahme, dass die Entscheidung für den Verzehr von pflanzlichen ‚Molkereiprodukten‘ weitgehend von den Ernährungsgewohnheiten bestimmt wird“, stellte Dr. Beate Gebhardt, Leiterin des AK Best an der Universität Hohenheim, fest. Zudem beeinflussten soziale Normen und kulturelle Traditionen die Deutschen hierbei weniger stark als die Menschen in anderen Ländern.
Dies belegt laut Gebhardt und Hansen das Beispiel Polen als eine Art Gegenstück zu Deutschland. Dort würden tierische Milchprodukte als gesund und insgesamt vorteilhaft angepriesen. Darüber hinaus bemängelten die Befragten in Polen oft das Geschmackserlebnis der pflanzlichen Alternativen als zu süß oder zu fettig. Auch die französischen Verbraucher seien von pflanzlichen Molkerei-Alternativen schwer zu überzeugen, berichteten die beiden Wissenschaftlerinnen. Vor dem Hintergrund, dass dort der Verzehr von Käse aus tierischer Milch eine lange Tradition habe, werde offenbar ein großer Wert auf den sensorischen Genuss gelegt.
Ein ähnliches Bild zeigte sich laut Gebhardt und Hansen in Italien und Spanien. Bedenken hinsichtlich der sensorischen Eigenschaften und des Geschmacks hinderten dort die Kaufinteressenten daran, die Molkereiersatzprodukte zu konsumieren. Um mehr Verbraucher zu erreichen, müssten die Hersteller alternative Produkte mit verbesserten Rezepturen oder mehr Varianten entwickeln. Dies sei besonders wichtig in Italien oder Frankreich. Hierbei erwarten die Verbraucher nach der Erfahrung von Gebhardt nicht zwangsläufig eine Kopie des tierischen Originals. Allerdings müsse der Geschmack der Lebensmittel überzeugen. „Dabei darf das Produkt auch ein neues, eigenständiges Geschmackserlebnis bieten“, so die Agrarökonomin. Zudem motiviere Neugier die Konsumierenden dazu, neue Lebensmittelprodukte zu probieren. Überrascht hat die Forscherinnen dagegen ein anderes Ergebnis der Studie: „Entgegen unserer Erwartungen haben das Bildungsniveau und andere soziodemografische Faktoren keinen statistisch gesicherten Einfluss auf die Häufigkeit des Konsums pflanzlicher ‚Molkereiprodukte‘“, stellte Gebhardt fest. (AgE)

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