Wegen der stark gestiegenen Faktorpreise und der anhaltenden Lieferkettenprobleme war 2022 für die deutsche Ernährungsindustrie das „bislang schwerste Jahr“ seit dem Zweiten Weltkrieg. Das hat die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) am 18. Januar berichtet. Laut ersten Schätzungen gingen die Verkaufsmengen der Branche 2022 ein weiteres Jahr in Folge zurück, und zwar um 1,8 %. Auch der Absatz im Ausland, üblicherweise der Wachstumsmotor für die Unternehmen, hatte mit deutlichen Einbußen zu kämpfen. Gegenüber dem Vorjahr sank der Export von deutschen Lebensmitteln um 5,5 %. Die extreme Steigerung der Rohstoffkosten, die laut dem Rohstoffpreisindex des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) 2022 im Segment Nahrungsmitteln 45 % und im Energiebereich 158 % betrug, spiegelten sich der BVE zufolge „nur teilweise“ in den von den Herstellern erzielten Verkaufspreisen wider. Diese legten hierzulande um durchschnittlich 18 % und im Ausland um im Mittel 21 % zu. Der Gesamtumsatz der Branche erhöhte sich 2022 der BVE-Schätzung zufolge aufgrund der höheren Preise deutlich, und zwar auf 216,3 Mrd Euro. Davon entfielen 75,8 Mrd Euro auf den Export. Im Jahr 2021 hatte die deutsche Ernährungsindustrie insgesamt 186,2 Mrd Euro erlöst, davon 65,8 Mrd Euro im Auslandsgeschäft. Der Blick in die Zukunft falle in den Unternehmen pessimistisch aus, stellte die BVE fest. Unter anderem der ifo-Geschäftsklimaindex habe im Herbst Rekordtiefs erreicht. Dabei sei insbesondere die Erwartung der zukünftigen Geschäftsentwicklung sehr negativ ausgefallen.
Der BVE-Vorsitzende Dr. Christian von Boetticher warnte, dass viele mittelständische Lebensmittelhersteller um ihre Existenz kämpften. Sie bräuchten „jetzt dringend Signale der Normalisierung und Beruhigung“. Auf zusätzliche Belastungen etwa durch Steuern müsse unbedingt verzichtet werden. Besonders nationale Alleingänge wie das Lieferkettengesetz, die deutsche Hersteller gegenüber der ausländischen Konkurrenz benachteiligten, bedrohten die Wettbewerbsfähigkeit. Ohne wettbewerbsfähige, investitions- und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen drohe die Transformation hin zu einer klimaneutralen Lebensmittelwirtschaft zu einer „untragbaren Kostenfalle“ für die Unternehmen zu werden, warnte von Boetticher. In der Konsequenz erhöhe sich die Gefahr von Betriebsstilllegungen oder Verlagerungen ins Ausland. Dann könnten die Produktionsbedingungen aber nicht mehr mitgestaltet werden. (AgE)