Rufe nach einer Übergewinnsteuer für Lebensmittelunternehmen sind jetzt sowohl auf internationaler als auch nationaler Ebene laut geworden. Die Entwicklungsorganisation Oxfam macht in ihrem Bericht „Survival oft he Richest“, der am 16. Januar zum Start des Weltwirtschaftsforums in Davos vorgestellt wurde, krisenbedingte Übergewinne auch bei Lebensmittelkonzernen aus. Ebenso wie Energieanbieter hätten manche Lebensmittelhersteller ihre Gewinne im Jahr 2022 mehr als verdoppelt. Konkreter wird Oxfam nicht, fordert aber gezielte Gegenmaßnahmen. Unerwartete Gewinne müssten besteuert werden, „um die Profitmacherei in der Krise zu beenden“. In Deutschland dachte die Vorsitzende des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), Ramona Pop, jetzt in der „Bild am Sonntag“ laut über eine Übergewinnsteuer auch für Lebensmittelunternehmen nach. Angesichts des starken Anstiegs der Verbraucherpreise sei zu prüfen, inwieweit sich die Unternehmen an der Krise „bereicherten“. Bei Energiekonzernen würden krisenbedingten Übergewinne zumindest teilweise abgeschöpft und an die Verbraucher zurückgegeben. Dieses Modell könne auch auf andere Wirtschaftsbereiche übertragen werden. Gesunde Ernährung dürfe keine Frage des Geldbeutels sein, so Pop. In der Wirtschaft reagierte man mit Kritik auf die Stellungnahmen.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) wies den Vorwurf, die Ernährungsindustrie würde die aktuelle Krisensituation für die Durchsetzung überhöhter Preisvorstellungen ausnutzen, entschieden zurück. Die Krise produziere keine Gewinner. Angesichts der stark gestiegenen Kosten und der rückläufigen Erträge entbehre dieser Vorwurf jeder Grundlage. Der Handelsverband Deutschland (HDE) verwies auf den starken Wettbewerb zwischen den Unternehmen des Lebensmittelhandels. Dadurch komme es zu einer klaren Preisdämpfung. Neben einem möglichen Vorgehen gegen eventuelle krisenbedingte Übergewinne trieb den HDE in der vorigen Woche auch die Bekämpfung der kartellrechtlichen Vorteilsabschöpfung um. Konkret ging es um die aktuellen Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums zur Reform des Kartellrechts.
Zur Eröffnung seiner Veranstaltung „Tag der Wettbewerbsfreiheit“ am 19. Januar in Berlin warnte der HDE vor Risiken bei einer Umsetzung der Reformpläne. Gerade in der aktuellen Wirtschaftskrise mit ohnehin steigenden Preisen sei es kontraproduktiv, die preisdämpfende Wirkung eines möglichst freien Wettbewerbs einzuschränken. Nach Einschätzung des HDE würden die Befugnisse des Bundeskartellamts durch die geplante Reform zu stark ausgeweitet. Daneben fehlten konkrete Voraussetzungen für die vorgesehenen Eingriffe in die Marktprozesse durch die Behörde. Der Verband sieht deshalb die Gefahr von massiven Einschränkungen bei den Verhandlungen und Verträgen beispielsweise zwischen Handelsunternehmen und ihren Lieferanten. Am Ende käme es dann zu „ansonsten vermeidbaren Preiserhöhungen“ in den Regalen des Handels.
Die Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums betreffen beispielsweise die strukturellen Eingriffe in den Markt. Dem Reformentwurf zufolge sollen missbrauchsunabhängige Entflechtungen ermöglicht werden, um Wettbewerb auf verfestigen Märkten zu schaffen. Denn es existierten immer wieder stark verfestigte Märkte mit wenigen Anbietern, auf denen aber weder Kartellrechtsverstöße noch wettbewerbsrechtswidrige Zusammenschlüsse zu beobachten oder nachweisbar seien, so das Ministerium. Daneben will es unter anderem die Hürden für die kartellrechtliche Gewinnabschöpfung senken und so die Schlagkraft der Kartelldurchsetzung erhöhen. (AgE)