Staatlicher Eingriff in Milchlieferbeziehungen bleibt umstritten

ie verpflichtende Einführung von Milchlieferverträgen zwischen Erzeugern und Molkereien mit fester Vereinbarung von Menge und Preis wird weiter kontrovers diskutiert. Bei einer Expertenbefragung im Ernährungsausschuss des Bundestages zur Lage am Milchmarkt waren sich am Montag (15.1.) die von den Fraktionen geladenen Sachverständigen über die Notwendigkeit einer Aktivierung von Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse (GMO) nicht einig. Diese wird vom Bundeslandwirtschaftsministerium angestrebt, das noch in diesem Quartal einen entsprechenden Verordnungsentwurf vorlegen will. Damit soll die Stellung der Erzeuger im Vermarktungskanal verbessert werden und über eine stärkere Bündelung ihres Rohmilchangebots mehr Verhandlungsmacht entstehen.
Strikt gegen eine solche Regelung ist der Vorstandsvorsitzende der genossenschaftlichen Hochwald Milch, Hans Peter Manderfeld. Dies würde „einen massiven Eingriff in die genossenschaftliche Satzungsautomie“ bedeuten. Die Genossenschaftsmitglieder seien nicht nur Lieferanten, sondern auch Eigentümer und entschieden selbst demokratisch über die Ausrichtung ihrer Molkerei und ihre Lieferbedingungen. „Der Staat soll sich raushalten“, forderte Manderfeld. Der Milchpreis müsse letztlich am Produktmarkt realisiert werden, der stark von Entwicklungen am Weltmarkt und dem Lebensmitteleinzelhandel bestimmt werde. Eine Festpreislösung sei daher „Wunschdenken“, und die Umsetzung des Artikels 148 „bringt mehr Leid als Freud“, so der Vorstandsvorsitzende.
Skeptisch zu staatlich verordneten Lieferverträgen äußerte sich auch die Referatsleiterin Milch beim Deutschen Bauernverband (DBV), Leonie Langeneck. Dadurch entsteht ihr zufolge unnötiger bürokratischer Aufwand auch beim Überwachen der Verträge. „Der Artikel 148 kann die Volatilitäten am Milchmarkt nicht aushebeln“, betonte Langeneck. Notwendig für eine wirtschaftlich starke Milchwirtschaft sei „eine stabile und verlässliche Wirtschafts- und Agrarpolitik, die ein Investitionsklima schafft“. Um die Milchpreisschwankungen abzufedern, müssten das einzelbetriebliche Risikomanagement und eine steuerliche Gewinnverteilung über Wirtschaftsjahre für Krisenzeiten gefördert werden. Zudem sollte das europäische Sicherheitsnetz mit privater Lagerhaltung erhalten bleiben. Eine zentrale Milchmengensteuerung durch die Politik lehnt der DBV jedoch ab.
„Aus wissenschaftlicher Sicht funktioniert der Milchmarkt, wie der Einfluss des Weltmarkts zeigt“, erklärte Agrarökonom Prof. Holger Thiele von der Fachhochschule Kiel. „Mit einem Festpreis ist jedoch für die Erzeuger noch nichts gewonnen“, betonte der Wissenschaftler. Die Molkereien könnten diesen zwar nennen, doch steige dann für sie das Risiko und es werde wahrscheinlich zu einen Preisabschlag kommen. Der Geschäftsführer der Unternehmensberatung Lademann & Associates, Niels Frank, stellte fest, dass es am Rohmilchmarkt „eine atypische Preisbildung gibt“. Die Erzeuger lieferten ihre Milch ab, ohne zu wissen, was sie dafür bekommen. Dies hänge dann vom Vermarktungserfolg der Molkerei ab. Mit Artikel 148 und verbindlichen Verträgen ließe sich das ändern, zeigte sich Frank überzeugt. Auch er wies darauf hin, dass sich dadurch das wirtschaftliche Risiko vom Erzeuger zur Molkerei verlagere und diese dann weniger Rohmilch abnehmen werde, um das Risiko zu verringern.
Für den Rechtsanwalt und Geschäftsführer der Milcherzeugergemeinschaft Milch Board, Phillipp Groteloh, ist „die Andienungsplicht von Milch eine Wettbewerbsbeschränkung“. Die Milcherzeuger steckten „in einem Korsett“, und der von den genossenschaftlichen Großmolkereien dominierte Milchpreis decke langfristig kaum die Produktionskosten. Aufgrund der Marktbedeutung der Genossenschaften mit einem Anteil von rund zwei Dritteln der erfassten Milchmenge müssten diese in die Vertragspflicht nach Artikel 148 einbezogen werden. Dies sei rechtlich möglich, da sie laut Satzungsregelungen keine entsprechenden vertraglichen Regelungen über feste Liefermengen und dazugehörigen Preisen hätten. Der Artikel 148 „baut Wettbewerbshemmnisse ab“ und nimmt das alleinige Risiko von den Schultern der Erzeuger, unterstrich Groteloh.
Stark befürwortet wird die Vertragspflicht bei Milchlieferbeziehungen einschließlich der Genossenschaften auch von der Teamleiterin Landwirtschaft der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Reinhild Benning. Sie verwies auf das aus ihrer Sicht positive Beispiel Spanien, wo 2023 eine solche Regelung eingeführt worden sei, um kostendeckende Erzeugerpreise zu ermöglichen. Die Milchpreise seien in Spanien über den EU-Durchschnitt gestiegen, hob Benning hervor. Zudem gebe es in Frankreich Dreierverträge zwischen Erzeugern, Molkereien und dem Einzelhandel. Dabei zahle beispielsweise Lidl rund 5.000 Milcherzeugern „faire Preise“ und werbe mit seinem nachhaltigen Ansatz, was bei den Verbrauchern gut ankomme. Trotz der höheren Erzeugerpreise ist es laut Benning nicht zu einer höheren Milchproduktion gekommen, da die Menge vertraglich festgelegt worden sei. (AgE)

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