Der Milchmarkt in Nordrhein-Westfalen war in den ersten Monaten des laufenden Jahres von sinkenden Milchanlieferungen, rückläufigen Kuh- und Halterzahlen sowie steigenden Kosten für die Milchbauern geprägt. Zwar würden die Milcherzeugerpreise aktuell leicht ansteigen, doch reiche dies nicht, weil die Produktionskosten bei den Erzeugern regelrecht „explodiert“ seien, berichtete der Geschäftsführer der Landesvereinigung der Milchwirtschaft in Nordrhein-Westfalen, Dr. Rudolf Schmidt, am 1. Juli bei der Halbjahrespressekonferenz in Kempten. Ihm zufolge hat sich die Zahl der Milchviehbetriebe in Nordrhein-Westfalen innerhalb eines Jahres um 3,6 % auf 5 055 verringert; der Milchkuhbestand ist um 2,5 % auf 387 862 Tiere gesunken. Damit sei der Strukturwandel weitergegangen und werde sich nach aktuellen Daten des Landeskontrollverbandes in der Tendenz noch verschärfen, wobei auch immer mehr gute Betriebe mit größeren Beständen die Produktion aufgäben. „Diese Situation ist besorgniserregend“, so Schmidt. Die Milcherzeuger seien nicht nur dem Preisdruck des Lebensmitteleinzelhandels ausgesetzt, sondern auch den zunehmenden Auflagen der Politik bei Natur-, Klima- oder Umweltschutz, was die Kosten auf den Betrieben nach oben treibe. Hinzu kämen die wachsenden Anforderungen des Handels. Jüngstes Beispiel sei Aldi mit der Ankündigung, ab 2030 nur noch Tierwohlfleisch von Schweinen listen zu wollen. „Am Milchmarkt wird solch eine Entwicklung bald folgen“, ist sich Schmidt sicher. Der rheinische Vorsitzende der Landesvereinigung, Hans Stöcker, hob hervor, dass sich die Milcherzeuger der gesellschaftlichen Diskussion von Klimawandel über Tierwohl bis zum Insektenschutz stellen würden und zu Veränderungen bereit seien. „Sie können dies aber nur tun, wenn die entsprechenden Mehraufwendungen durch höhere Erzeugerpreise ausgeglichen werden“, mahnte der Aufsichtsratsvorsitzende von FrieslandCampina. Grundsätzlich sehe er die Milchpreise im zweiten Halbjahr aufgrund einer soliden Nachfrage nach Milchprodukten auf dem Weltmarkt, guten Pulverpreise und einer Marktbelebung bei Abflauen der Corona-Pandemie fester tendieren. Der westfälische Vorsitzende der Landesvereinigung, Wilhelm Brüggemeier, warnte vor einem „unkontrollierten Strukturwandel“, sollten die Milchpreise nicht deutlich ansteigen. Die Wirtschaftsergebnisse für das gerade abgeschlossene Jahr 2020/21 zeigten vielfach rote Zahlen, und gerade Betriebe mit Investitionen und neuen Ställen gerieten in Bedrängnis. Es gebe „einen ganzen Strauß von Belastungen, der sich kostensteigernd bei den Milchbauern auswirkt und vielen geht die Luft aus, weil sie dies nicht mehr durch höhere Leistungen und Wachstum ausgleichen können“, stellte Brüggemeier fest. Angesichts der gesetzlichen Auflagen und Anforderungen des Handels an das Tierwohl reichen ihm zufolge Preiserhöhungen von 1 Cent/kg Milch nicht aus; notwendig seien eher 8 Cent/kg. Zahlen sollen dies laut Brüggemeier in erster Linie die Verbraucher über höhere Preise in den Läden, wie es von der Borchert-Kommission auch vorgeschlagen wurde. Allein mit freiwilliger Zahlungsbereitschaft der Verbraucher und dem Markt werde es aber nicht gehen. „Gegenwärtig bleibt in der Wertschöpfungskette zu viel Geld beim Handel hängen, nur wenig bei den Weiterverarbeitern, und bei den Bauern kommt nur Druck an“, kritisierte Brüggemeier. Auch Stöcker ist der Auffassung, dass ein extremer Strukturwandel bei den Milcherzeugern nur verhindert werden könne, wenn verschärfte Tierwohl- und Umweltregelungen von der Gesellschaft und dem Staat mitfinanziert würden.
Laut der Landesvereinigung war der Start in das Milchjahr 2021 aufgrund der Corona-Pandemie noch holprig. Doch habe sich die Marktsituation sukzessive verbessert und sehe für das zweite Halbjahr besser aus. Im ersten Jahresdrittel lagen die Notierungen für Milchprodukte und die Verbraucherpreise in der Regel über dem coronabedingt schwachen Niveau des Vorjahreszeitraums; der Erzeugerpreis für eine Standardmilch mit 4,0 % Fett und 3,4 % Eiweiß in Nordrhein-Westfalen lag mit durchschnittlich 32,51 Cent/kg jedoch um 0,5 Cent oder 1,5 % darunter. Im Bereich Konsummilch war gegenüber Januar bis April 2020 ein Absatzrückgang von 3,8 % auf 1,21 Mrd l zu verzeichnen, bei Biomilch jedoch ein Zuwachs von 11,3 % auf 155,7 Mio l und bei Weidemilch von 27,7 % auf 64,5 Mio l. Der Verkauf von Milchimitaten hat sich in den vergangenen drei Jahren verdreifacht und nun einen Anteil von 9 % an der gesamten Trinkmilch erreicht. Die Ausfuhr von Milcherzeugnissen aus Deutschland lag mit Ausnahme von abgepackter Milch bei den meisten Produkten leicht unter dem Niveau des ersten Jahresdrittels 2020. Doch ziehe der Export mittlerweile wieder an, berichtete die Landesvereinigung. Im Drittlandshandel sei eine starke Nachfrage aus China zu spüren. Zudem würden die Lockerungen der Corona-Auflagen in Deutschland und Europa zu einer Marktbelebung führen. (AgE)