Branchenumsatz der Ernährungswirtschaft 2020 trotz Corona stabil

Die deutsche Lebensmittelwirtschaft hat sich im „Corona-Jahr“ 2020 in ihrer Gesamtheit als robust erwiesen. Wie der Hautgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), Christoph Minhoff, am 18. Juni berichtete, fiel der nominale Branchenumsatz 2020 mit 185,3 Mrd Euro genauso hoch aus wie im Jahr zuvor. Nach realen Zahlen, also Preis- und inflationskorrigiert, habe die Branche nur ein geringes Umsatzminus von 0,8 % verbucht. Der Auslandsanteil an den Erlösen habe trotz der coronabedingten Einschränkungen auf den internationalen Märkten mit 33,2 % lediglich um 0,4 Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert gelegen. Laut Minhoff gab es jedoch große Unterschiede innerhalb der Branche. So habe es bei Zulieferern der Gastronomie, Brauereien und Spirituosenherstellern teils erhebliche Verwerfungen gegeben. Die Lebensmittelhersteller und Zulieferer des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) hätten zwar vordergründig von dessen steigenden Umsätzen profitiert. Aber auch sie hätten mit Logistikproblemen und deutlich steigenden Kosten zu kämpfen gehabt. Für Minhoff ist es deshalb umso bemerkenswerter, dass die Versorgung mit Lebensmitteln 2020 nie gefährdet war. Nach seinen Worten haben die Lieferanten den „Wettbewerb mit Hamsterkäufern“ selbst in den Hochzeiten derartiger Bevorratungsspitzen stets gewonnen. Ungeachtet dessen sieht der BVE-Hauptgeschäftsführer die Ernährungswirtschaft gerade in Deutschland vor großen Herausforderungen.

Nach Angaben von Minhoff lagen die Rohstoffkosten im Lebensmittelbereich im Mai im Schnitt um 40 % über dem Vorjahresniveau, was die Produktion entsprechend verteuere. Hinzu kämen Kostensteigerungen in der Logistik und hohe Standortkosten, die sich beispielsweise in den EU-weit höchsten Strompreisen äußerten. Letztere seien binnen Jahresfrist auch für Großabnehmer erneut um 6 % gestiegen, beklagte der Verbandsgeschäftsführer. Diese Kostensteigerungen schlügen auf der Produzentenseite deutlich stärker zu Buche als die auch für Verbraucher gestiegenen Lebensmittelkosten.

Angesichts dieser Gemengelage warnte Minhoff vor immer neuen regulativen und steuerlichen Lasten. Nach seinen Worten hat das vergangene Jahr gezeigt, dass die Privatwirtschaft oft schneller, flexibler und pragmatischer auf Herausforderungen reagieren kann als die Politik und die Verwaltung. Eine zukünftige Bundesregierung sollte daher die Branche von der „Fessel überbordender Bürokratie“ befreien, um ihr eine ausreichende Wertschöpfung zu ermöglichen. Minhoff appellierte an die Politik, nach der Bundestagswahl Belastungen zu senken und „Wertschöpfung möglich zu machen“. Der Schlüssel für ein nachhaltiges Wachstum seien Innovationen und neue Technologien. Auch hier müsse der Gesetzgeber Türen öffnen, forderte der BVE-Hauptgeschäftsführer. Dringend notwendig sei es außerdem, den zu beobachtenden „Verfall der europäischen Harmonisierung“ zu stoppen und umzukehren. Die Wirtschaft brauche in einem Binnenmarkt möglichst gleichwertige Wettbewerbsbedingungen und keine nationalen Alleingänge, unterstrich Minhoff mit Blick auf das in Deutschland kürzlich beschlossene nationale Lieferkettengesetz.

Auch beim Thema Beschäftigung steht die Branche vor großen Hürden. Nach Angaben der Hauptgeschäftsführerin der Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss (ANG), Stefanie Sabet, verzeichnete die Ernährungswirtschaft nach zwölf Jahren mit Zuwächsen 2020 erstmals wieder einen Beschäftigungsrückgang. Insgesamt seien im vergangenen Jahr in 6 163 überwiegend kleinen und mittelständischen Betrieben der Branche 614 063 Menschen beschäftigt gewesen; das seien rund 4 700 Menschen weniger als 2019. Paradoxerweise verstärke sich gleichzeitig der Fachkräftemangel, so Sabet. Ein Hauptgrund dafür sei die geringe Nachfrage nach Ausbildungsplätzen in der Lebensmittelproduktion, die auch 2020 rund 6 % ihrer Ausbildungsstellen nicht habe besetzen können. Die ANG-Hauptgeschäftsführerin wünscht sich deshalb politische Impulse gegen den Fachkräftemangel. Dafür brauche es ein modernisiertes Arbeitszeitgesetz sowie Freiheiten und Spielräume für eine starke Tarifautonomie. (AgE)

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