Anfang März haben die Lebensmittelhandelsketten bei den Kontraktverhandlungen für abgepackte Butter geringere Molkereiabgabepreise durchgesetzt, nun soll offenbar auch der Einkaufspreis bei Frischmilcherzeugnissen der Weißen Linie gedrückt werden. Dies hat laut einem 6. März in der Lebensmittel Zeitung (LZ) erschienenen Artikel zumindest Aldi vor. Demnach hat der Discounter mit seiner neu gegründeten Einkaufsorganisation „Aldi Global Sourcing“ die Einkaufsmacht gebündelt und will die eigentlich später anstehenden Verhandlungen für die ab 1. Mai gültigen Halbjahreskontrakte auf Mitte März vorziehen. Laut LZ hat der zuständige Einkäufer signalisiert, dass die Preise sinken sollen und dies mit der konzentrierten Nachfrage und der geschwächten Situation am Weltmilchmarkt wegen des Coronavirus begründet. „Wenn die Berichterstattung so zutrifft, dann ist dieses Einkaufsverhalten ein Paradebeispiel für den Missbrauch von Nachfragemacht und ein Fall für das Kartellamt, das hier einschreiten muss“, kritisierte der Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Karsten Schmal. Bekannt sei, dass Aldi und seine Mitbewerber jede Chance für niedrigere Einkaufspreise nutzten. Dass man dafür sogar das Coronavirus als Vorwand nutze, sei eine neue Qualität. „Diese Angelegenheit zeigt aber vor allem, dass die Richtlinie über unlautere Handelspraktiken notwendig war und nun dringend national umgesetzt werden muss, und zwar weitgehender und strenger als es die EU vorgibt“, so Schmal. Die Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) könnten ihre Marktmacht nur dann ausspielen, wenn es Molkereien gebe, die auch mitspielten. Das verbiete sich aber, denn die Milchbauern hätten in den vergangenen Monaten deutlich weniger Milchgeld erhalten, als es der Markt hergegeben hätte.
„Mit der Panik um das Coronavirus auf den Rücken der Milchbauern Geschäfte zu machen, ist zwischen Handelspartnern ein mehr als unwürdiger und schlechter Stil“, monierte der Präsident des Landvolkes Niedersachsen, Albert Schulte to Brinke. Es sei ein fatales Zeichen gerade jetzt, wo eine sichere Warenversorgung für die Bevölkerung wichtig wäre, die Erzeugerseite zu schwächen. Das Geschäftsgebaren, das Aldi gerade erkennen lasse, werde für viele Milchbauern negative finanzielle Auswirkungen haben. Zudem widerspreche dies den Beteuerungen des LEH, gemeinsam mit der Gesellschaft das Tierwohl und die Nachhaltigkeit voranzubringen. „Der LEH selbst aber gibt uns Erzeugern keine Sicherheit und Kontinuität, wenn jeder Indikator auf dem Weltmarkt angeführt wird, um Preise zu senken“, kritisierte der Landesbauernpräsident. Insbesondere vor dem Hintergrund höherer Erzeugungskosten durch dürrebedingt gestiegene Futterpreise sowie der aktuellen Mäuseplage in Niedersachsen seien aus Sicht der Milchbauern jegliche Preissenkungen derzeit indiskutabel. „Da muss man sich nicht wundern, wenn bei diesem Verhandlungsstil und der Forderung nach niedrigen Preisen die Bauern weiterhin den LEH und ihre Lager besetzen beziehungsweise davor demonstrieren“, erklärte Schulte to Brinke. Angesichts der unfairen Handelspraktiken forderte auch er die konsequente Umsetzung der EU-Richtlinie zum unlauteren Wettbewerb.
Der Vizepräsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), Wilhelm Brüggemeier, forderte Aldi auf, „bei den anstehenden Verhandlungen höhere Abgabepreise für frische Milchprodukte zu akzeptieren und nicht zu torpedieren“. Er stellte klar, dass die Landwirte nicht für „Dumpingpreise“ arbeiten würden, denn die Milch sei mehr Wert. Die Bauern garantierten Kuhkomfort und beste Milch aus der Region. Die angekündigte Verhandlungsführung des Marktriesen missachtet aus Sicht von Brüggemeier die Wettbewerbsregeln und ist Ausdruck fehlender Wertschätzung gegenüber den Milchviehbetrieben. „Unfaire Handelspraktiken werden wir nicht akzeptieren“, betonte der WLV-Vizepräsident. Unterdessen berichtete der Verband der Milcherzeuger Bayern (VMB), dass Edeka Südbayern bereits Anfang Februar den Verkaufspreis für ESL-Vollmilch von 73 Cent auf 71 Cent und für ESL-fettarme Milch von 65 Cent auf 63 Cent abgesenkt habe. Da es sich hierbei nicht um eine kurzfristige Rabattaktion handle, unterlaufe das Unternehmen damit die im November 2019 bis Ende April 2020 ausgehandelten Kontraktpreise, beklagte der VMB. Dass Wettbewerber im Kampf in Kürze darauf reagierten, sei mehr als wahrscheinlich. (AgE)